Am nächsten Morgen: wunderbare 4 Bft. SW-Wind, ideal. Wir starteten noch im Dunklen, guter Dinge, denn wir wussten noch nicht, was der Tag bringt. Nach drei Stunden an der Schleuse in Lemmer, wir waren gut in der Zeit - wichtig, denn wir waren um 17 Uhr mit dem Schleusenwärter in Warns am Ende des Heeger Meeres verabredet, der extra aus dem Wochenende kommen wollte, um uns die Brücke aufzumachen.

Im Prinses-Margriet-Kanal, eine der wichtigsten Binnenwasserwege in unserem Nachbarland, war viel los. In einer Rechtskurve kamen uns zwei Dickschiffe entgegen, die sich überholten. Wir fuhren (unter Motor) an den grünen Tonnenstrich rechts heran, um auszuweichen. Plötzlich macht es Rummmms, und wir sind mit 7,5 Knoten über eine Bodenwelle (harter Sand, kein Stein) gebrettert. Gabi lag in der Koje, glücklicherweise war niemand vorne auf dem Schiff, das wäre ein MOB gewesen. Kiel noch dran? Blick in die Bilge, alle Schrauben ok, trocken, wir - mit Schreck in den Knochen - fahren weiter. Waren wir fast ein halbes Jahr in der Bretagne mit 10 und 15 Meter Tidenhub ohne eine einzige Bodenberührung ausgekommen, erwischt es uns jetzt in einem holländischen Kanal, wo wir schon gefühlte 100mal langgefahren sind!

Aber es sollte noch dicker kommen. Denn Gabi beschlich so ein Gefühl, öffnet die Bilge: WASSER IM BOOT!! Also doch ein Schaden. Samstag Mittag im Winter, nächste Woche soll es frieren, kein Mensch auf dem Wasser, Brücke in Warns zu, Werften im Wochenende und Winterurlaub… Katastrophenszenarien vor dem inneren Auge tun sich auf. Und vor allem: wo sollten wir hin mit einem sinkenden Boot?

Kanal 16 anrufen, klare Sache. Aber vorher noch mal gucken. Gabi geht ans Steuer, fährt weiter, Vollgas, wer weiß. Das Wasser unten ist schön klar. Lenzen, Lenzen, so wie gelernt: mit der elektrischen Bilgepumpe, mit der Handpumpe, es scheint weniger zu werden, von nirgendwo läuft es nach. Was wir wegen des Motorgeräuschs nicht hören können: die Trinkwasserpumpe läuft die ganze Zeit. Heiß. Sicherung raus. Vorderschiff komplett ausgeräumt. Wassertank aufgeschraubt: völlig leer. Was soll das denn? Den hinteren Wassertank hatten wir glücklicherweise abgestellt. Also: hinterer Wassertank angestellt. Trinkwasserpumpe an, kommt aber kaum Wasser aus den Wasserhähnen, dafür aber massig Wasser aus dem achteren Teil des Bootes. Schnell alles wieder abgestellt. Denksportaufgabe - also auch noch den achteren Teil des Bootes ausgeräumt, es sah mittlerweile wie nach einem Bombeneinschlag aus, alles voller nasser Lappen, Matratzen, und im Kopf: warum tut man sich das alles an. Befund: Nässe unter der Achterkoje, aber der Ruderkoker dicht, das war ja die größte Befürchtung. Nochmals Wasser an, Sturzbäche von noch weiter hinten. Zusätzlich von außen die achterne Steuerbordbackskiste ausgeräumt (Kanister, Stromgenerator, Schleppanker, alles was man jetzt gerade gar nicht braucht). Verschalung der Diesel– und Wassereinfüllstutzen aufgeschraubt. Da finden sich, zusätzlich zu den bekannten, zwei Leitungen, Kalt– und Warmwasser, die wir bislang nicht bemerkt hatten und die nirgendwo hinführen (später realisieren wir: Sunbeam hat diese „sicherheitshalber“ für die Installation Außenborddusche verlegt, die wir gar nicht haben). Eine dieser Leitungen ist offen, Verschluss abgerissen. Probe: kommt im Schuss Wasser raus, wenn man das Trinkwasser anstellt. Das war es. Kein Wassereinbruch, eher ein Trinkwasserausbruch.

Der „Witz“ bei der Geschichte: man sagt ja immer, mehr als die Hälfte der Situationen „Wasser im Boot“ haben ihre Ursache in der Trinkwasserversorgung. Aber wenn man gerade mit 7 Knoten eine harte Grundberührung hatte, denkt man natürlich nicht primär daran. Aber es war so: durch das Abreißen der Leitung schaltete sich die druckgesteuerte Trinkwasserpumpe an, die wir wegen des Motorlärms nicht gehört haben, saugt den vorderen Tank leer (glücklicherweise nicht noch den hinteren, das wären nochmal 200l Wasser mehr im Boot gewesen) - und wir denken, wir haben ein Leck.

Nun gut, ist ja gut ausgegangen. Der Schleusenwärter kam sogar früher, wir sind in den Binnenhafen in unsere Box gefahren, Strom war am Steg glücklicherweise, wir haben die Heizung angestellt, und Wasser geschöpft, geputzt, gewischt, getrocknet getrocknet getrocknet. Und dann gleich im Anschluss das Boot eingewintert (auch die Trinkwasseranlage!), noch mehr geputzt, getrocknet, am Sonntag Nachmittag waren wir fix und foxy und sind nach Hause, mit nassen Segeln, nassen Sachen. Heute, mehrere Tage danach, liegt noch die ganze Wohnung voller Zeugs zum trocknen. Und wir? Wir sind glücklich, das ist das verrückte. Dass wir es doch so gut hingekriegt haben. Das ist das Schöne beim Segeln.

Darum tut man sich das nur an, nämlich.

PS: die Lehre, für uns? (1) Ein Wassereinbruch ist ein absoluter Notfall und löst umgehend einen enormen Stress aus. Vorsicht mit Panik. Vorher mal besprechen, was dann zu tun ist. (2) Für die Klärung eines Wassereinbruchs braucht man sehr zeitnah Zugang zu allen Teiles des Bootes. Gut, wir haben großes Beil, großes Stemmeisen, Säge an Bord, es ist durchaus möglich, dass man das auch wirklich braucht. Und man sollte sich auch die entlegenen Winkel seines Bootes mal „bei Sonnenschein“ ansehen. (3) Wir besorgen uns noch ein Werkstattendoskop, das an Bord stationiert wird, denn es gibt zahlreiche Winkel, in die man praktisch gar nicht herankommt. (4) Immer an das Trinkwassersystem denken, auch wenn es nicht naheliegend zu sein scheint.

 

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Wintertour 6.-8.12.13

(10.1) Winter 2013/14

Wasserausbruch